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 16.Tag: Mein Ausflug in die bunten Berge von Landmannarlaugar

Datum Km Σ Km Hm Σ Hm Übernachtung
31.07.2007 40 1287 750 9340 Camping Landmannarlaugar

 

Die Hochlandpiste F208 gehört auf dem Stück von Holaskjol nach Landmannarlaugar zu einer der schönsten Hochlandetappen Islands überhaupt. Um die Schönheit dieser Strecke genießen zu können, muss man mit dem Rad allerdings ein paar Anstrengungen auf sich nehmen. Umsonst bekommt man auf dieser Piste so gut wie nichts. Von Süden aus kommend besitzt die 40 km lange Gesamtstrecke schon auf den ersten 9 km ein Höhenunterschied von 350 Höhenmetern (siehe Höhenprofil). Was in den Alpen eher eine kleine Erhebung darstellt und worüber ich dort nur ein Grinsen übrig hätte, wird hier zur echten Herausforderung. Auf der Gesamtstrecke sind 20 Flussfurten zu queren und Steigungen zu bewältigen, die aufgrund des losen Gesteins mit Gepäck nur schiebend zu bewältigen sind. Und dennoch, würde man mich vor die Wahl stellen, eine meiner 20 Tagesetappen streichen zu müssen, wäre diese Piste mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit die Letzte. 

Am Abend saß ich vor meinem Zelt auf dem Campingplatz in Landmannarlaugar und beobachtete das Treiben auf dem Gelände. Wie in einem Hochgebirgslager sah es hier aus. Mannschaftszelte und darum gruppierte kleine Zelte gleicher Bauart standen auf der südlichen Seite des Platzes, einzelne Zelte mit davor liegenden Rucksäcken oder Rädern auf der anderen. Dazwischen liefen Menschen dick eingekleidet zwischen den Zelten hin und her. Der Wind,  der hier blies, besaß eine beißende Kälte. Im Hintergrund dampfte es in den Bergen und das Ryolithgestein mit seinen bunten Farben war einfach herrlich anzuschauen. 200 m weiter rechts von mir lagen die Menschen in Badekleidung in 35 Grad erdbeheiztem Wasser und streckten den Kopf aus dem Wasser.

Noch zu Hause, hatte ich mich an ein doppelseitiges Foto der Ryolithberge in einem Bildband Islands nicht satt sehen können, hatte es mir immer wieder mal angeschaut. Diese satten Farben von gelb über Zwischenstufen bis dunkelbraun hatten mich schon zu Hause fasziniert. Und jetzt saß ich hier, ich war tatsächlich in Landmannarlaugar.

Kein leichterTag lag hinter mir, 7 Std. war ich mit meinem „Icelandexpress“ für die 40 km von Holaskjol nach Landmannarlaugar unterwegs gewesen, die reine Fahrzeit davon betrug  5:35 Std. Die Piste zu befahren hatte sich gelohnt. Ich war früh um 08:30 Uhr gestartet, die Nacht über hatte es durchgeregnet und auf den Straßen standen noch Pfützen als ich den Platz in Holaskjol verließ.  Die Landschaft vom Vortag hatte sich nicht verändert, der Fahrbahnbelag bestand aus fast schwarzer festgefahrener Lava und führte zunächst durch grün bemooste uralte Lavafelder. Nach 5 km stand ich dann vor der ersten Herausforderung des Tages, einer 40 cm tiefen Furt. 

Von zu Hause hatte ich 30 cm hohe Neoprensocken mitgenommen, die meine Füße vor dem kalten Wasser der Gletscherflüsse schützen sollten. Es war die richtige Entscheidung gewesen. Den ganzen Tag über zog ich die Neoprensocken und Teva-Sandalen nicht mehr aus. 

Aber in welcher Art und Weise sollte ich mein Gespann da hinüberbringen? Was geschah mit dem Hänger, wenn ich versuchte meine Rad einschließlich Hänger einfach durch den Fluss zu schieben? Ich löste sicherheitshalber den Anhänger vom Rad, drückte das Rad kraftvoll in einer ersten Aktion durch den Fluss, stellte es auf der anderen Seite ab, und lief zurück. In einer zweiten Aktion zog ich den Hänger hinüber und bemerkte sehr schnell, dass er schwamm. Die Holzplatte mit dem darauf befestigten wasserdichten Ortliebsack schwamm ohne zu kippen, einfach hinter mir her. Das ich vor den nächsten Furten bei nicht stärkerer Strömung den Hänger gar nicht mehr vom Rad lösen würde, war damit klar. Gut einen Kilometer weiter stand ich am Straßenabzweig zur Eldgja-Schlucht.  

Die Eldgja-Schlucht zählt mit einer Breite von bis zu 600 m und 40 km Länge zu einem der größten Spaltenvulkane der Erde. Wie ich Reiseführern entnehmen konnte, lies sich diese Dimension leider nur aus dem Flugzeug wirklich wahrnehmen. Als Radler oder Wanderer in der Schlucht unterwegs, kam einem diese wie ein ausgewaschenes Flussbett vor. Der germanischen Mythologie zufolge stand ich dort wo ich war, am Straßenabzweig zur Unterwelt. Die Eldgja-Schlucht (Feuerspalte) war der Mythologie zufolge der gefährliche Weg in das Reich der Totengöttin, welches nur über eine schmale Naturbrücke erreicht werden konnte. Diese Naturbrücke aus Basalt gab es noch bis zum Jahr 1993, dem Jahr, in dem sie einstürzte. Seit dem die Brücke nicht mehr existierte, konnte man nicht mehr ins Reich der Totengöttin gelangen, der Weg war ohne Brücke versperrt.

Den Fluss, den die Basaltbrücke früher überspannte, wollte ich mir nicht antun. Er hieß Nordaridfaera und besaß zwei tiefe Furten, die mir mit meinem Hänger so einiges an Schwierigkeiten bereiten konnte. Hinzu kam, dass ich mich auch nicht auserwählt genug fühlte, einen neuen Weg in die Unterwelt zu finden und für die Totengöttin interessierte ich mich auch nicht (grins).

Ich quälte mich lieber den nächsten steilen Anstieg über 350 Höhenmeter den Berg hinauf und überlegte, ob es nicht möglich war, von oben einen Blick in die Schlucht zu erlangen. Einen Kilometer weiter wurde die Steigung einmal für ein paar Meter etwas flacher, möglicherweise eine ideale Stelle um mein Vorhaben in die Tat umzusetzen. Ich stellte das Rad ab und suchte mir einen Weg zu Fuß durch das rechts von mir liegende Lavafeld. Die ersten Schritte auf dem dickbemoosten Lavafeld waren ein tolles Erlebnis. Bei jedem Schritt sackte ich 5 cm tief ein, ich lief wie auf einer dicken Schaumstoffmatte. Mehrere hundert Meter „torkelte“ ich so über das leicht wellige weiche Terrain, bis ich am Rand der Elgdja-Schlucht stand.

Der kurze Ausflug reichte mir! Ich kehrte zum Rad zurück und kämpfte mich weiter den Hügel hinauf. Jeder Meter musste hier schweißtreibend erarbeitet werden. Konnte ich den Druck aus den Pedalen aufgrund einer kurzen Gefällstrecke mal etwas rausnehmen, dann stand ich mit Sicherheit kurze Zeit später vor dem nächsten Wasserlauf.

Die meisten der ca. 20 Furten bis Landmannarlaugar waren für mich nicht besonders schwer zu queren. Vielleicht hatte ich mit der aktuellen Wassertiefe auch nur Glück. Ich steuerte immer Stellen an, die weiter links oder rechts vom normalen Fahrweg lagen und wo das Wasser erkennbar flacher war. Konnte ich die Tiefe nicht genau erkennen, lief ich zunächst ohne Rad hinein und erkundete sie. Auf der Weiterfahrt bis zur höchsten Stelle des Tages machte ich noch die nachstehenden tollen Fotos. Dahinter knickte die Fahrbahn einfach nach links unten weg, so dass die weitere Führung zunächst gar nicht zu sehen war. Erst auf der Kuppe sah ich dann, dass die Straßenführung sich in Schlangenlinien bergab führend einem Flussbett näherte. Die meisten Höhenmeter des Tages hatte ich an dieser Stelle bereits geschafft und ich freute mich auf die bunten Berge von Landmannarlaugar. Noch fast schwarz, müssten die Berge ja in ein paar Kilometern eine andere Farbe annehmen.

Das dauerte dann auch nicht mehr lange. Der kleine Bergkegel ganz hinten auf dem nächsten Foto war der erste Berg den ich sah, der braune Farbtöne enthielt. Keine 100 m weiter erblickte ich auf der linken Seite meines Weges eine grünbemooste Fläche, die glitzerte. Bei näherer Betrachtung stellte sich heraus, dass es Eiskristalle waren, die so leuchteten. In der Nacht war es doch gar nicht kalt gewesen, wo kam dieses Eis her? Erste Anzeichen einer landschaftlichen Veränderung waren zwar in der Ferne bereits sichtbar gewesen, aber es dauerte doch noch einige Zeit, bis sich wesentliche Veränderungen ergaben.

Zunächst stand ich nach ungefähr 25 Tageskilometern noch einmal vor einer Furt, hinter der es sofort steil bergauf ging. Die gut 50 Höhenmeter die ich da hinaufmusste, kosteten mich einiges an Kraft. Ich ergriff Lenker und Sattel und drückte Rad und Hänger den Hügel hinauf. Dabei musste ich darauf achten, dass ich das Rad so senkrecht wie eben möglich schob, leicht geneigt rutschte mir das Vorderrad immer zur Seite. Gleichzeitig bestand die Herausforderung darin,  mit den Füssen auf den losen Steinen Halt zu finden und nicht wegzurutschen. Mehrmals musste ich anhalten und dabei beide Bremsgriffe fest durchziehen um das Rad zu fixieren. Anschließend machte die Straßenführung eine große Schleife und führte an einer schwarzbraunen Wand vorbei. Wind und Wetter hatten an dieser Wand so einige Spuren in Form von senkrechten Rillen hinterlassen.

Ich radelte mal wieder im Flussbett. Links und Rechts von Felswänden begleitet, kämpfte ich mich Meter für Meter weiter. Höchste Konzentration war hier erforderlich um nicht zu stürzen. Ständig stand ich auf dieser Piste vor neuen Herausforderungen, am Ende der Schlucht in Form einer breiten ca. 30 cm tiefen Furt. Die Strömung war nicht sehr stark, ich wagte es mein komplett beladenes Rad einschließlich Hänger durch den Fluss zu drücken. Es war die richtige Entscheidung gewesen, ein wenig Gegendruck zur Strömung erzeugend reichte aus, um das Gespann auf die andere Flussseite zu bugsieren. Das nachstehende Foto mit Selbstauslöser zu machen, war gar nicht so einfach gewesen. Mein Stativ hatte ich auf der anderen Flussseite aufgebaut. Ganze 10 Sekunden Zeit blieben mir um wieder zum Fahrrad zu gelangen. 

Nur kurze Zeit später trat dann das ein, worauf ich schon einige Kilometer gewartet hatte. Die Landschaft veränderte sich stark. War ich vorher auf einer fast schwarzen Piste geradelt, während die umgebene Landschaft überwiegend Grüntöne enthielt, so wurde die Fahrbahn immer brauner. Die Berge nahmen mehr und mehr die Farben Landmannarlaugars an.

Große Steigungen waren ab hier nicht mehr zu bewältigen. Ich kurbelte an den Flussläufen der Tungnaa entlang und genoss das Farbenspiel in den Bergen. Es fehlte etwas Sonne um die Farben noch intensiver wahrnehmen zu können, aber ein Naturschauspiel war es dennoch durch und durch. Etwas später sah ich schon die Brücke über den kaum aussprechbaren Fluss Jökugilskvisl. Ich wusste, ab hier waren es nur noch 2 km bis zum Campingplatz in Landmannarlaugar, die kraftraubende Piste war fast geschafft. Kurz hinter dem Straßenabzweig zum Campingplatz, muss noch ein Lavafeld durchfahren werden, während man in der Ferne bereits den Dampf der heißen Quellen von Landmannarlaugar aufsteigen sieht.

Vor dem Campingplatz befand sich noch eine tiefe Furt. Dass sie nicht leicht zu queren war, sah man schon daran, dass normale Pkw die von Norden her kommend nach Landmannarlaugar gefahren waren, davor an der rechten Straßenseite parkten. Es bestand keine Chance, diese mit einem normalen Pkw zu durchqueren. Ein Hochlandbus, der durch den Fluss fuhr, tauchte wohl um die 70 cm tief ins Wasser ein. Für Radler gab es aber einen „Geheimtip“ trockenen Fußes auf die andere Seite zu gelangen. Ich musste mein Rad in Längsrichtung der Furt nur rechts eng am Felsen entlangschieben um ca. 50 m weiter zu einer schmalen Holzbrücke zu gelangen. Über einen kleinen Kiesweg erreichte ich dann nach 7 Std. Fahrt meinen Zielort Landmannarlaugar. Etwas ausgelaugt und erschöpft stand ich vor dem Holzgebäude der Rezeption und freute mich. Ich hatte diese „mörderische Piste“ tatsächlich geschafft.

 


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