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 14.Tag: Am Mont Ventoux

Datum Km Σ Km Hm Σ Hm Übernachtung
06.08.1998 67 966 1.310 17.273 Camping kurz vor Vaison la Romaine

 

Knapp 1000 km sind wir bereits gefahren und stehen am Fusse des Mont Ventoux. Bereits bei der Planung war er als krönender Abschluss in unsere Tour aufgenommen worden. Der letzte große Anstieg, der Berg der besonderen Art. Mehrmals schon ging die Tour de France über ihn.

Der pyramidenförmige Berg ist mit seinem kahlen, im Winter schneebedeckten Gipfel die höchste Erhebung im Gebirgssystem der Provence. Majestätisch baut er sich über der Ebene von Carpentras und dem Plateau von Vaucluse auf. Im Namen Ventoux steckt das französische Wort vent = Wind. Tatsächlich bläst der Mistral auf dem Gipfel besonders heftig, so dass die Temperatur in der Höhe durchschnittlich 11 Grad C niedriger ist, als am Fuße des Berges. Der einsame Bergriese reizte schon den Dichter Petrarca, der im April des Jahres 1336 mit seinem Bruder die damals gefährliche Besteigung von Carpentras aus unternahm. In einem Brief gab er dann eine begeisterte Schilderung von seinem Ausflug. Zu jener Zeit dürfte der Berg jedoch noch mehr bewaldet gewesen sein. Abholzungen jüngeren Datums, lassen insbesondere die Südseite recht karg aussehen. Erst vor einigen Jahren wurde wieder mit der Aufforstung begonnen. Dementsprechend jung sind die Bäume auch teilweise heute noch.

Von Sault aus fahren wir zunächst etwas hinunter auf das Plateau de Vaucluse. Etwas weiter, am Schild „Col du Mont Ventoux – Ouvert“, halten wir kurz an und fotografieren das Schild, eines unserer „Beweisstücke“. Ein letztes Luftholen, bevor es hinaufgeht in Richtung Chalet Reynard. Am Chalet Reynard treffen die beiden südlich gelegenen Anstiegsrouten aufeinander, die von Bedoin und die von Sault aus. Der südliche Anstieg ist im Sommer meistens sehr heiß. Kaum im Schatten, hin und wieder noch im tiefer gelegenen Bereich durch ein paar Steineichen, Lärchen oder Bergkiefern vor der Sonne geschützt, fahren wir unserer vorerst letzten Passhöhe, eigentlich eher Bergbesteigung, entgegen. Kleine Fliegen krabbeln uns in die Nase und setzen sich auf die verschwitzte Haut. Kilometer um Kilometer geht es hinauf, bis wir das Chalet erreichen.

Am Chalet stehen mehrer Rennräder und Moutainbikes. Auf der Terrasse unterhalten wir uns mit einem jungen Deutschen, der mit dem Mountainbike bereits in einer Tagesetappe von der Ardeche aus mit dem Fahrrad hierher gefahren ist. Mit wenig Gepäck, ist er um einiges schneller unterwegs als wir. Wir sehen ihn später auch auf der Passhöhe nicht mehr wieder.

Immer wieder überholen uns Rennräder. Der „kleine“ Unterschied von ca. 37 kg macht sich bemerkbar. Ich bewundere die älteren Herren, die sich teilweise in Begleitung ihrer Frauen hier hoch „quälen“. Ein paar deutsche Rennradfahrer fahren langsam an mir vorbei. Sie quälen sich sichtlich. Ein Gedanke und schon in die Tat umgesetzt, setze ich zum „Gegenangriff“ an. Ich bemerke, dass Martin und Burkhardt ihren Spaß dabei haben. Langsam erhöhe ich mein Tempo, ohne außer Atem zu geraten und ziehe erfolgreich an den Rennradfahrern vorbei. Ich wechsele ein paar Worte mit ihnen. Sie können es kaum fassen, dass ich noch mithalte. Kurze Zeit später lasse ich mich zurückfallen. Ich möchte schließlich noch oben ankommen. Einige Kehren vor dem Gipfel, die Straße führt nur noch zwischen Kalksteinbrocken hindurch, treffen wir auf die Gedenktafel für den englischen Radprofi Tom Simpson. Drumherum liegen Trinkflaschen, Schläuche, Mäntel und andere Rennradfahrerutensilien. Tom Simpson starb an dieser Stelle auf einer Tour de France –Etappe nach einem Schwächeanfall.

Wir befinden uns nur noch 2,5 km vom Gipfel entfernt. Das oben auf dem Berg befindliche Observatorium und die Antennenanlagen werden immer größer. Oben zu sehen sind bereits einige Pkw mit Ausflüglern, die sich aufgemacht haben, die Provence einmal von ihrem höchsten Punkt aus zu sehen. Kurz davor fahren wir mit unseren Fahrrädern nebeneinander. Die Situation ergibt sich wie von selbst. Wir wollen den letzten hohen Punkt gemeinsam erreichen. Für die Touristen nicht direkt erkennbar, spielen wir ihnen eine Finish-Scenerie vor. Wir feuern uns gegenseitig an, den höchsten Punkt jeweils als erster zu erreichen. Die umstehenden Leute fangen an zu klatschen und feuern uns begeistert an. Mit viel Spaß erreichen wir den letzten hohen Punkt unserer Radtour. Wir haben es tatsächlich geschafft. Jeder von uns steht mit über 50 kg Gepäck, das Fahrrad eingerechnet, auf dem höchsten Punkt der Provence. Rechnet man die kleineren abendlichen Radtouren mit, die in meiner tabellarischen Tourzusammenstellung nicht erscheinen, haben wir bereits über 18000 Höhenmeter in den Beinen. Die 1000 km Marke ist bereits überschritten. Wie ich mich fühle, kann man kaum beschreiben. Es reicht von „unvergesslicher Radtour“ über „Warum habe ich so etwas nicht schon früher gemacht“ bis hin zu dem einfachen Ausspruch „Einfach Wahnsinn“.

Auf dem Berg suchen wir uns neben einem Antennenmast auf der Nordseite ein ruhiges Plätzchen für unser Picknick Wir finden eine Holzpalette, die wir als Tisch verwenden. Der Mont Ventoux liegt tatsächlich wie ein Sahnetüpfelchen in der Provence. Um uns herum nur Tiefe. Der Blick in Richtung Süden oder in Richtung der Montagnes de Lure ist von hier oben einfach gewaltig, jedem Provenceurlauber einfach zu empfehlen. Hinzu kommt, dass wir den richtigen Tag erwischt haben. Die Wetterlage ist einfach super. Nach Südwesten hin sind die zackigen Felsen der Dentelles de Montmirail zu sehen. An diesen Felsen vorbei führt unsere weitere Route in Richtung Avignon.

Auf der Abfahrt nach Malaucene führt die Straße an der Groseau-Quelle (source vauclusienne du Groseau) vorbei, die aus mehreren Stellen am Fuße des Berghangs entspringt und einen kleinen See speist. Wir halten uns dort eine kurz auf und erfrischen uns an den Quellen. Weiter hinab geht es durch Nadelwälder und an Geröllfeldern vorbei in Richtung Vaison la Romaine. Links von uns sind in der Ferne immer wieder die Dentelles de Montmirail zu sehen. In Vaison la Romaine haben wir zunächst Probleme auf einem der Campingplätze unterzukommen. Sie sind alle belegt. Etwas außerhalb gelingt es uns dann endlich. Wir sind von der Hitze auch ziemlich k.o..Erst im Pool geht es uns schon viel besser.

Vaison la Romaine, an den Ufern des Ouvèze gelegen, bietet zahlreiche Altertümer für Urlauber, die auf den Spuren der Römer unterwegs sind. Reste von Straßen, Häusern und Säulenhallen sind an der fast in der Ortsmitte gelegenen Ausgrabungsstelle zu sehen. Sie geben einen kleinen Einblick in das römische Leben vor 2000 Jahren. Sehr beeindruckend ist die 2000 Jahre alte Pont romain, die sich mit einer Weite von 17 m über die Ouvèze spannt. Im 19. Jahrhundert wurde lediglich die Brüstung erneuert.

Unseren Abend verbringen wir in der Oberstadt (Haute Ville). Man erreicht die Oberstadt über die Pont Romaine. Einlass wird einem durch ein Stadttor aus dem 14. Jahrhundert gewährt.. Es ist noch keine Essenszeit, und so lassen wir uns viel Zeit, durch die malerischen Gassen und kleinen Plätze der Oberstadt zu streifen. Besonders reizvoll ist die Rue de l´Église sowie der brunnengeschmückte Place du Vieux Marché. Wir entdecken ein wunderbar gelegenes Restaurant mit einem Innenhof. Von unserem Tisch aus haben wir einen direkten Blick auf den etwas tiefer gelegenen Ort und die Ouvèze. Wie sagt man, „Leben wie Gott in Frankreich“. Entweder wir haben an diesem Tag wesentlich mehr Kalorien verbraucht als an den vergangen Tagen, oder es gab im Restaurant nicht genug zu essen. Jedenfalls erinnere ich mich noch genau daran, dass wir uns eine Stunde später am Campingplatz noch zwei Pizzen bestellt haben.

 


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