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 09.Tag: Die östliche Provence

Datum Km Σ Km Hm Σ Hm Übernachtung
01.08.1998 72 673 900 12.503 Camping an der D562 südl. des Ortes

 

Wenn wir uns so ansehen, ein bisschen ausgezerrt sehen wir schon aus. Wir haben zwar jeden Abend Kalorien in uns hineingeschaufelt, der Kalorienverbrauch muß jedoch extrem hoch sein. Mein Gefühl sagt mir, ich habe in der einen Woche bestimmt 3-4 kg an Gewicht verloren. Dies fand zu Hause Bestätigung.

Was ursprünglich für gestern geplant war, wir standen noch nicht am Strand. Wenn man zum Mittelmeer fährt, muss man einmal am Strand gestanden haben. Und so verlassen wir den für unsere Begriffe vollkommen überfüllten Campingplatz in dieser Richtung. Nicht, dass uns die Gegend nicht bekannt wäre, Martin und ich waren mit unseren Familien noch im April diesen Jahres in der Provence, auf einem Ausflug auch in der Nähe von Nizza. Im April konnten wir noch mit träumerischem Blick auf die Schnee bedeckten Berge in Richtung Cime de la Bonnette blicken, wissentlich das wir im Sommer mit dem Fahrrad von dort  nach Nizza hinabfahren würden. Das Gefühl mit dem Fahrrad am Strand zu stehen, mit eigener Kraft durch die Hochalpen bis hierher gefahren zu sein, dass ist etwas anderes. So etwas vergisst man nie wieder.

Mir machen uns auf in Richtung Vence. Bei Vence handelt es sich um einen kleinen Ort, der auf einem Felsen plaziert von zwei Schluchten umrahmt wird. Er liegt ca. 10 km vom Meer entfernt zwischen Nizza und Antibes und hat sich aufgrund des dort vorhandenen milden Klimas zu einem anziehenden Ferienort entwickelt. Viele Künstler haben sich dort niedergelassen. Dementsprechend sehen wir in dem mittelalterlichen Ortskern auch viele Galerien, die hier wohl mit ihren Ausstellungen das Kulturleben bereichern. Brunnen aus Stein gehauen, ein großes altes Stadttor und viele Blumen in den Fenstern prägen das Ortsbild. Kurz vor dem alten Stadttor liegt ein großer Bouleplatz und ein recht feudal wirkendes Restaurant. Während wir dort stehen, beschauen sich zwei der dort vor dem Eingang stehenden Kellner unsere Fahrräder. Wir schieben die Fahrräder durch den Ort bis zur südlichen Stadtmauer. Von einer erhöhten Stelle an der Mauer besitzt man einen herrlichen Blick auf die den Ort umgebenden Weinhänge.

Von Vence aus fahren wir auf der D2210 ansteigend über Tourette sur Loup nach le Bar sur Loup. In Tourette sur Loup schlendern wir einmal durch den Ort. Er ist genau so mittelalterlich wie Vence, aber kleiner. In Bar sur Loup teilt sich die Straße, so dass wir eine Entscheidung darüber treffen müssen, ob wir auf direktem Weg nach Grasse weiter fahren oder über den 500 m höher  gelegenen Ort Gourdon. Martin und ich kennen den auf einem Hochplateau liegenden Ort aus einem unserer früheren Familienurlaube. Es gibt dort eine Picknickwiese mit Spielplatz. Der Blick von dort oben ist bei schönem Wetter in Richtung Küste herrlich. Er reicht nach rechts hin bis zum Mont Vinaigre, dem höchsten Punkt im Esterel-Massiv. Aufgrund der fortgeschrittenen Tageszeit, wir haben in Vence ziemlich viel Zeit verbracht, entscheiden wir uns, direkt nach Grasse zu fahren.

15 km weiter in Grasse, halten wir uns in Richtung Altstadt. Grasse, das Paradies zauberhafter Düfte, wegen seiner Parfüme weltbekannt. Malerisch ist die Altstadt, mit Treppen und Gässchen durchzogen. Am Place aux Aires pausieren wir am Drei-Schalen-Brunnen. Um den Platz herum befinden sich alte 4 bis 5-stöckige Häuser. Jeden Morgen soll hier ein Blumen- und Gemüsemarkt stattfinden. Eine ältere Frau sitzt, mit ihrem Gesicht der Brunnenmitte zugewandt, die Beine im Wasser baumelnd, auf dem Brunnenrand und liest Zeitung. Wir haben schließlich Sonntag. Die Situation wirkt so verlockend gemütlich, dass Burkhard und ich uns spontan dazusetzen.

Seit dem wir uns in der Provence befinden ist die Wetterlage durchgehend traumhaft. Erst um 16:00 Uhr raffen wir uns auf um unser Ziel, Fayence, anzusteuern. Die Strecke dort hin entlang der D562 ist etwas hügelig. In einer Talsenke fahren wir über die Siagne hinweg um nach einem 2 km langen Anstieg tief unten den Lac de Cassien zu sehen. Kurz darauf bemerke ich , dass mit meinem Fahrrad etwas nicht stimmt. In den Speichen knackt es verdächtig. Einen Seitenausschlag besitzt das Hinterrad aber noch nicht. Ich fahre zunächst weiter, in der Hoffnung Fayence noch erreichen zu können. Hinter uns Hupkonzerte. Nicht weil wir in der Fahrbahnmitte fahren und den sich ”selbstverständlich” durch Fahrräder behindert fühlenden PKW-Verkehr stören. Eine Hochzeitsgesellschaft, die sich vermutlich auf dem Wege von der Kirche zum Gasthof, in dem die Hochzeitsfeier stattfinden soll, befindet. Was wir nicht ahnen, wir werden noch einige von ihnen wiedersehen. Aus Solidarität klingeln wir mit unseren Fahrradschellen mit.Wir haben viel Spaß dabei.

Der Campingplatz “Le Grelon” in Fayence liegt direkt an der Strasse, etwas vom Ort entfernt und leicht zu finden.  An meinem Fahrrad ist eine der Speichen gerissen. Da es uns an Ersatzspeichen und Werkzeug nicht mangelt, ist der Schaden schnell behoben. Eine Stunde später liegen wir am Swimmingpool auf  unserer faulen Haut, Martin in der Sonnenliege, Burkhard liest Zeitung, und ich mache mir eine paar Notizen über die Erlebnisse und Eindrücke des vergangenen Tages.

Während wir beim Abendessen sitzen und uns die Pizza schmecken lassen, wieder ein Hupkonzert. Mehrere Autos erscheinen auf der Zufahrt. Was wir jetzt wahrnehmen, kennen wir aus Deutschland nicht: Bunte Kleider, Stöckelschuhe, die feinsten Anzüge, fein herausgeputzte Damen und Herren und alle bauen ihre Zelte auf. Wir können es kaum glauben. Die Hochzeitsgesellschaft will tatsächlich hier in Zelten übernachten. Hinsichtlich unsere Nachtruhe stellen sich bei mir Bedenken ein, die sich im Nachhinein als vollkommen unbegründet herausstellen. Am nächsten Morgen stehen sämtliche Schuhe der Hochzeitgesellschaft wie an einer Schnur aufgereiht vor den Zelten. Ich habe die Rückkehr der doch mit Sicherheit leicht angeheiterten Gesellschaft überhaupt nicht wahrgenommen.

Nach dem Essen erlauben wir uns noch einen Spaß. Ich habe nicht mitbekommen, in welchem Ort Burkhard eine Packung Golloises gekauft hat. Mit einigen Bartstoppeln im Gesicht und lässig im Mundwinkel hängender Zigarette, lassen wir uns als typische Franzosen von unserer Bedienung fotografieren. Wir sind alle Nichtraucher.

 


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