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 08.Tag: Eine Tunnelfahrt über 6 km, Idylle am Dynjandi

Datum Km Σ Km Hm Σ Hm Übernachtung
09.07.2010 94 684 1360 6550 Camping

 

Isafjoerdur, das Wirtschafts- und Verwaltungszentrum der Westfjorde liegt zwischen schroff abfallenden Berghängen auf einer Sandbank mitten im Skutulsfjoerdur. Die Sandbank wurde über die Jahre hinweg immer wieder aufgeschüttet, um die Fläche der Stadt zu vergrößern, mit dem Erfolg, dass die Stadt fast von einer Fjordseite des Skutulsfjoerdur bis auf die andere reicht. Gleichzeitig entstand ein wirkungsvoll geschützter Hafen.

Als erster Siedler wird in den Geschichtsbücher der Name Helgi Hrolfson aufgeführt, der im Jahr 920 dem Skutulsfjoerdur angeblich seinen Namen gab, als er an dieser Stelle eine Harpune am Strand fand (skutull = Harpune). Es folgten ihm norwegische und isländische Händler, später im 16. Jahrhundert gründeten deutsche und englische Firmen dort ihre Handelsniederlassungen. Aus der Zeit des dänischen Handelsmonopols stammen noch einige alte Häuser im Umfeld des Hafens. Die verkehrs- und versorgungstechnische Bedeutung wird insbesondere durch den Flughafen deutlich, an dessen Landebahn wir am Abend zuvor ja noch vorbeigeradelt waren.

Morgens radelten wir als Erstes ein wenig durch die noch ruhigen Straßen des Ortes und wunderten uns über die vielen Jungendlichen in gelben Warnwesten. Sie hatten in den Ferien wohl die Aufgabe bei der Straßenreinigung zu helfen, mit erstaunlichem Erfolg. Der Ortskern war absolut sauber, Papier oder sonstigen Unrat sah man nirgends.

Danach ging es weiter in Richtung Hafen. In einem der ältesten Häuser, das 1744 erbaut wurde, befindet sich das Fischereimuseum, das einen Überblick über die Geschichte der Stadt vermittelt und einiges über den Fisch- und Walfang „erzählt“. In der jüngeren Geschichte war die Einführung der EU-Quotenregelung für Isafjoerdur ein besonderer Einschnitt. Eine Fischfabrik musste geschlossen werden, ebenso die Shrimpsanlage. In dieser wird aktuell Sushi für den Export nach Westeuropa produziert.

Um kurz nach 10:00 Uhr starteten wir mit unseren Rädern in Richtung Ortausgang. Am Ende des Skutulsfjoerdur gibt es einen Bonus-Supermarkt, in dem wir uns zunächst mit den nötigsten Lebensmitteln eindeckten, danach ging es bergauf in Richtung Süden. Die Str. 60, der wir nun folgten, führt bis auf eine Höhe von 200 Metern. Ab der Höhe führt sie durch einen 6 km langen beleuchteten Tunnel, der aber für uns Radler eher unproblematisch war. Gut  ausgeleuchtet und kaum frequentiert (uns überholten max. 5 Pkw), radelten wir bei minimaler Steigung bis zum Straßenabzweig nach Sudureyri, danach ging es mit leichtem Gefälle geradeaus weiter bis zum Tunnelausgang.

Vom Tunnelausgang bis hinunter zum Oenundarfjoerdur waren nur noch 3km zu radeln, eine Strecke, auf der wir die Räder einfach laufen ließen. Danach kurbelten wir zum Gemlufall hinauf. Die 275 Höhenmeter waren zügig geschafft, bereits um 12:45 Uhr  standen wir auf der Passhöhe und blickten nach Süden. Auf der anderen Seite des Dyrafjoerdur konnte man den Ort Thingeyri bereits liegen sehen. Auf der Abfahrt in Richtung Dyrafjoerdur sahen wir links von uns zwei Holzpfähle und eine Tafel, die wohl der Isländische Verein Westvikings (www.westvikings.info) dort angebracht hatte. Ein wenig neugierig geworden, schauten wir uns das mal etwas näher an.

Hinweise über diesen Ort fand ich später zu Hause im Internet auf der o.a. Internetseite. Es handelt sich wohl um ein Projekt, dessen historischer Hintergrund die Gísla Saga Súrssonar bildet. Eine Isländersaga aus dem 10. Jahrhundert, die zur Zeit der Landnahme Islands durch die Wikinger spielt. Die Überlieferung der Saga geht auf Handschriften aus dem 15. bis 18. Jahrhundert zurück. Sie verfolgt das Schicksal des Helden Gísli und seiner Familie. Liebe und Eifersucht, die zu Streit und Mord führen, prägen die Handlung der Saga, die kaum durch Nebenepisoden unterbrochen wird und daher fast wie ein moderner Krimi gelesen werden kann. Die Saga beginnt in Norwegen und spielt dann, nach der Übersiedlung der Familie nach Island, ausschließlich in den Westfjorden. Ihre Schauplätze können vom ortskundigen Besucher nahezu so aufgefunden werden, wie sie in der Saga beschrieben werden. Die dramatische Szenerie der Westfjorde gibt der ohnehin schon spannenden Erzählung eine würdige Kulisse. Die Saga greift das “Outlaw-Romantik-Image” der Westfjorde auf, deren Bewohner in damaliger Zeit wahre Überlebenskünstler im Kampf mit den Naturgewalten waren. Wie gut, dass diese harten Zeiten, wo Mord und Totschlag zur Tagesordnung gehörten, vorbei waren.

Thingeyri lag auf der anderen Fjordseite ja fast zum Greifen nah, um den Fjord herum waren es aber noch 20 km. Als wir den kleinen Ort nach 53 Tageskilometern erreichten, war es erst 14:30 Uhr. Wir hatten das Ende der geplanten Strecke bereits erreicht, überlegten aber, ob wir in dem Ort blieben. Zunächst trafen wir auf ein tolles altes Kaffeehaus, das uns ideal schien, um über den weiteren Tagesablauf zu beraten und eine Kleinigkeit zu essen.

Der Gedanke noch bis zum Dynjandi-Wasserfall zu radeln war schnell da. Allerdings schien uns die Zeit ein wenig knapp um die zusätzlichen 570 Höhenmeter und 40 km Fahrstrecke bis zum frühen Abend zu schaffen. Bis spät in den Abend hinein wollten wir nach der gestrigen Etappe über 140 km auch nicht radeln. Die Lösung war relativ schnell gefunden. Im Hotel Sandafell bestellten wir uns ein Taxi mit Hänger und ließen uns die ersten 9 km den Pass hinauffahren. Dadurch hatten wir erheblich Zeit gewonnen, die 30 km bis zum Dynjandi Wasserfall sollten dann noch machbar sein. Die Abfahrt auf der festen Lehmpiste machte sehr viel Spaß. Wir freuten uns darüber, dass unser kleiner Coup mit dem Taxi funktioniert hatte und sahen tief unten den Arnarfjoerdur liegen. Unten am Fjord in Hrafnseyri gibt es wohl etwas abseits von unserer Fahrtroute ein Cafe und eine Tankstelle (Hinweisschilder), wir radelten aber weiter und ließen diese links liegen. Zum Greifen nah, dachte man jedes Mal, wenn man den Dynjandi Wasserfall weit entfernt liegen sah. In Luftlinie nur noch 12 km entfernt, waren für uns jedoch noch 22 km zu radeln. Immer wieder forderte uns das leicht wellige Terrain ein wenig.

Der Dynjandi ist der höchste Wasserfall im Gebiet der Westfjorde. Er liegt am Arnarfjoerdur, an dessen Ufern wir bereits seit zwei Stunden entlangradelten. Er stürzt sich von der Hochebene Dynjandisheidi über zahllose Stufen über 100 m in die Tiefe und wird dabei immer breiter. Im 19. Jahrhundert besaß der Wasserfall noch den Namen Fjallfoss, sein heutiger Name bedeutet wohl so viel wie „Dröhner“, d.h. dass sein lautes Dröhnen des fallenden Wassers über große Entfernungen zu hören ist. Im Sommer stürzen dort bis zu 8 Kubikmeter Wasser pro Sekunde hinunter, im Winter etwa die Hälfte.

Als wir den Campingplatz am Dynjandi erreichten, war es kurz nach 19:00 Uhr, unsere Zeitplanung hatte relativ gut funktioniert. Einige Tagestouristen hielten sich dort noch auf, von Rummel aber keine Spur. Ein Toilettengebäude ohne Duschen macht erfinderisch. Nur in Radlerhose bekleidet ging es in den Wasserfall. Etwas kalt sicherlich, aber anschließend war die Müdigkeit vom Radeln weg. Nachstehend noch ein paar Fotos von unserem Abend am Dynjandi.

 


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